09.07.2021
Trotz Kontaktsperre und Pandemie habe ich immer noch irgendwie zu viel zu tun. Nach der Absage aller Präsenz-Trainings kam zuerst zwar ein tiefes Loch. Da habe ich meine Wohnung renoviert. Dann ging es endlich mit den Online-Trainings los. Und heute habe ich das Gefühl, die Pausen des sinnlosen Nichtstuns sind noch rarer geworden, als sie vor der Pandemie schon waren. Es gibt z.B. keine Reisezeiten mehr. Dadurch hat sich meine Arbeit noch einmal verdichtet.
Sinnloses Nichtstun
Wir versuchen doch eigentlich aus jeder übrigen Minute noch etwas Sinnvolles zu machen. Auch die ‚Freizeit‘ will gebührend genutzt werden. Aus Sicht der Philosophen, z.B. der Existenzialismus-Begründer Jean-Paul Sartre und Albert Camus, ist die Langeweile eine der zentralen Erfahrungen, ohne die der Mensch sein eigenes Sein nicht erkennen kann.
Was heißt das für uns, wenn es diese Phasen in unserem Leben – gut 40 Jahren nach dem Tod Sartres - nicht mehr gibt? Können wir unser eigenes Sein noch erkennen? Ich denke, die Philosophen meinten, dass wir die Langeweile brauchen, um zu reflektieren, was wir gerade erlebt haben und wie es uns wirklich geht. Wenn wir keine Zeit mehr haben, über unser Leben zu sinnieren, könnte es so wirkungslos sein, als hätten wir es nicht gelebt? Vielleicht hinterläßt, was nicht verarbeitet wird, in uns selbst keine Spuren. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir durch eine gemachte Erfahrung gar nicht schlauer werden, denn dieser Prozess ist daran gekoppelt, dass wir die Erfahrung reflektieren und unsere Schlüsse daraus ziehen.
Einmal ohne alles
Die Pause gehört in der Biologie zu vielen Abläufen als fester Bestandteil dazu. Nach jeder Kontraktion unseres Herzens erfolgt z.B. eine Erschlaffung. Ohne diese Phase droht tödliches Kammerflimmern. Viele Studien zeigen, dass unsere Kreativität nach einer langweiligen Beschäftigung Purzelbäume schlägt. Droht uns dementsprechend gedanklich ohne die Langeweile tödliche Eintönigkeit?
Warum sollte unsere Seele diese Pause nicht brauchen? Eine Weile ohne Sinn. Einfach ohne alles. Löcher in die Luft schauen. Wie konnte uns das so völlig abhandenkommen? Irgendwie wäre es doch schön, mal wieder einen Sonntag so völlig gelangweilt vor mich hinzubummeln.
Doch wer jetzt denkt: Okay, dann tue ich es für mehr Kreativität oder mehr Selbstreflexion oder mehr Was-auch-immer, der/die ist auf dem Holzweg. Echte Langeweile ist ziel- und absichtslos. Was ist Deine Weise, das immer wieder mal zuzulassen? Wie freuen uns über Deine Kommentare auf unserem Instagram-Account: wie.dich.selbst. Oder in der Facebook-Gruppe.
