14.08.2022
Ich war viele Jahre Teil einer Gruppe von Frauen, die sich regelmäßig traf und manchmal das Brettspiel Therapy miteinander spielte. Aus der Therapie kam nur heraus, wer die jeweils andere mit ihren Neigungen und Sorgen, ihren Träumen und Verhaltensweisen sehr gut einschätzen konnte. Wir haben uns mal einen ganzen Abend darüber lustig gemacht, dass ausgerechnet die beiden Freundinnen, die sich am längsten kannten, die jeweils andere so wenig einschätzen konnten.
Was ist fremd?
Wer Befürchtungen vor einer Überfremdung unserer Gesellschaft hat, unterstellt möglicherweise, dass in Deutschland aufgewachsene Menschen mit deutschen Eltern ihm oder ihr ähnlicher sind, als jemand zum Beispiel aus Afghanistan. Einerseits ist natürlich klar, dass wir unter völlig anderen Rahmenbedingungen leben und viele von uns eine andere Religion haben. Andererseits sind uns aber auch Menschen aus dem persönlichen Umfeld oft fremder, als wir gemeinhin annehmen, wie nicht nur meine Spiel-Erfahrungen zeigen.
Nah und doch fern
Ich bin Westfälin und seit rund 10 Jahren mit einem Bayern zusammen, der zum Beispiel ganz anders mit seinen Wünschen umgeht als ich das tue. Das liegt daran, dass er mit der Einstellung groß geworden ist, dass man sich selbst nicht so wichtig nehmen darf. Also fragt er im Restaurant – im Unterschied zu mir - eben niemals nach irgendwelchen Beilagen-Änderungen und meldet auch auf die Frage „War’s recht“ nicht zurück, dass der Schweinebraten fast kalt an den Tisch gekommen ist.
Erfahrungen unrerscheiden uns
Sicher gibt es viele andere Bespiele für die Unterschiede zwischen uns und sicher sind mir nicht alle bewusst. Und selbstverständlich könnte es diese Unterschiede auch geben, wenn wir beide aus einem Bundesland und einer ähnlich großen Ortschaft kämen. Die Erfahrungen, die wir machen sind individuell. Sie prägen unsere Einstellungen und Art und Weise mit uns selbst, anderen und der Welt umzugehen.
Da ist es umso wichtiger, die Neugier aufrecht zu erhalten und im Gespräch zu bleiben, statt davon auszugehen, dass wir eh alles ähnlich wahrnehmen. Und das gilt natürlich auch für das Gespräch in einem Verein, dem ich schon lange angehöre oder jeder Art von Gemeinschaft, in der wir kontinuierlich miteinander in Kontakt sind. Offene Neugier, statt zu vermuten, dass wir eh schon alles voneinander wissen. Nur so kann Nähe - ganz egal zu wem - sich weiterentwickeln und Kontakt wird nie langweilig.
Wie erhältst Du Deine Neugier? Nutzt Du Rituale, um miteinander im Gespräch zu bleiben? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar und Deine Anregungen! Eure Susanne