03.07.2021
Ein Jahr lang habe ich – mit einer Ausnahme im letzten September – ausschließlich Trainings im virtuellen Raum durchgeführt. Nun steht die erste Begegnung mit 22 Teilnehmer*innen in einem realen Raum vor der Tür. Das ist aufregend.
Irgendwie habe ich mich als Trainerin in virtueller Umgebung nicht so an-greif-bar gefühlt. Wenn alle zusammen in einem Raum sind, ist z.B. persönliche Ablehnung viel eher spürbar, als in dem kleinen Video-Bildchen, auf das der Mensch im Virtuellen reduziert ist.
Nähe ist nun nach über einem Jahr wieder erlaubt. Wer es sich in den eigenen vier Wänden gemütlich gemacht hatte, ist vielleicht gar nicht so sicher, wieviel Kontakt er/sie jetzt wieder braucht. Der Psychologe Wolfgang Schmidbauer sagte dazu in der Süddeutschen: „Normalerweise lebt man in seinen Möbeln und Büchern und wenn man umzieht, fragt man sich: Was nehme ich mit? Nun, man nimmt nie alles mit, denn in der neuen Wohnung soll mehr Raum für etwas anderes sein.“
Das wäre doch ein schöner Effekt der Pandemie: Beim ‚Umzug‘ von den eigenen vier Wänden nach draußen, in ein Leben mit allen Sinnen – erst einmal überlegen: Was kommt mit? Nicht: Endlich zurück und alles wieder genauso gestalten, wie vor der Pandemie. So als wäre nichts gewesen. Sondern genau hinschauen: Was brauche ich wirklich? Sind das meine besten Freund*innen? Ist diese Unternehmung wirklich erfüllend für mich? Was ist mir wirklich wichtig?
Vielleicht habe ich in der neuen Freiheit auf einmal doch etwas veränderte Bedürfnisse. Vielleicht sogar nach weniger Nähe? Schmidbauer sagt dazu, dass wir oft erst wenn etwas fehlt, beurteilen können, ob es tatsächlich ein Verlust ist. So umfassend hatten wir wahrscheinlich noch nie die Gelegenheit, in diesem Sinne ein neues Bewusstsein zu entwickeln.