21.08.2022
In dem Buch „Zen oder die Kunst des Zuhörens“ von Rebecca Z. Shafir habe ich gerade gelesen: So wie lesen nicht gleich verstehen ist, ist hören nicht zuhören. Wie wahr. Wir sind von so viel Ablenkungen umgeben, dass es schwerer geworden ist, intensive Gespräche zu führen. Dabei ist es doch eigentlich gar nicht zu verstehen, dass die Dinge, die nicht leibhaftig anwesend sind, mehr Gewicht bekommen, als der Mensch, der vor uns sitzt.
Unsere Aufmerksamkeit
Aus der Neurologie ist bekannt, dass unser Gehirn immer den neuesten Impuls für den interessantesten hält. Leider verteilen wir unsere Aufmerksamkeit nach diesem Prinzip, ob wir wollen oder nicht. D.h. wenn das Handy brummt oder klingelt, wollen wir wissen, wer mit uns in Kontakt treten möchte – selbst dann, wenn der Kontakt, den wir in Präsenz gerade erleben, durchaus spannend ist.
Neu gleich spannend?
Wer dann sein Handy auch noch so eingestellt hat, dass es auch beim Update des Wetterberichts oder der Fußball-Ergebnisse brummt, braucht viel Energie allein dafür sich nach jeder Ablenkung erneut dem Gegenüber vor Ort zuzuwenden. Ob das Gespräch nach dieser Störung noch dieselbe Intensität hat, steht auch einem anderen Blatt.
Gewohnheiten hinterfragen
Energie kostet es aber auch, einmal eingeschliffene Gewohnheiten zu verändern. Wer sich daran gewöhnt hat, sein Handy immer auf Empfang und in Hörweite dabei zu haben, braucht viele Anstöße, um diese Gewohnheit zu hinterfragen und verändern. Schon der kleinste Grund, doch dabei zu bleiben, wird dann unter Umständen gerne angenommen. Das Kind ist alleine unterwegs, der Partner könnte Unterstützung benötigen…. Ich nehme mich da gar nicht aus. Bei mir sind es die Fotos, die ich draußen in der Natur so gerne machen und für die ich das Handy auch beim Spaziergang dabei habe.
Verpassen wir wirklich was?
Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass viele Menschen nach einer Hochphase der Ablenkungen nun doch wieder etwas mehr Abstand zu den Medien gewonnen haben, ältere genauso wie jüngere. Die Entwicklung läuft damit wieder in die bessere Richtung. Doch sie könnte durchaus noch mehr Fahrt aufnehmen, das erlebe ich in meinen Workshops, in denen immer wieder einzelne Teilnehmer sind, die sich nicht frei fühlen, einfach auszuschalten. Wie könnten wir uns stärker vor Augen führen, wie schön es ist, um Hier und Jetzt zu sein? Vielleicht gibt es ja ein ganz besonderes Gespräch, dass Dir jetzt gerade sofort einfällt? Wie waren die Rahmenbedingungen? Wie kam es dazu, dass Ihr vielleicht gar keine Störungen überwinden musstet? Oder: Wann hast Du das letzte Mal mit ausgeschaltetem Handy wirklich etwas ganz Wichtiges verpasst? Seltsam ist: Auf die Frage fällt mir persönlich kein einziges Beispiel ein…
Wir freuen uns auf Deinen Kommentar! Eure Susanne