Brüder und Schwestern

Albert Schweitzer ging davon aus, dass sich Menschen beim Nachdenken über sich selbst und ihre Grenzen wechselseitig als Brüder und Schwestern erkennen können, die über ihre Grenzen hinauswachsen. Darin stecken zwei Aspekte des Lebens: 1. Das Nachdenken über mich selbst;

19.01.2020

Albert Schweitzer ging davon aus, dass sich Menschen beim Nachdenken über sich selbst und ihre Grenzen wechselseitig als Brüder und Schwestern erkennen können, die über ihre Grenzen hinauswachsen. Darin stecken zwei Aspekte des Lebens: 1. Das Nachdenken über mich selbst; 2. Mein Verhalten anderen gegenüber, die ich als Brüder und Schwestern erkenne.


Ohne das Nachdenken über uns selbst gibt es keine Entwicklung. Für eine persönliche Weiterentwicklung reicht es nicht, Erfahrungen zu machen. Wir müssen diese Erfahrungen auch reflektieren. Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, unsere Erfahrung zu bedenken, zu hinterfragen, warum etwas sich wie ereignet hat und was unser eigener Anteil dazu war, ist es, als hätten wir gar keine Erfahrung gemacht. Erst das Reflektieren ermöglicht uns zum Beispiel die Erkenntnis und Entscheidung, dass wir beim nächsten Mal anders handeln möchten.

Ablenkung oder Nachdenken über mich selbst?
Das Problem ist nur: Nehmen wir uns genug Zeit zum Nachdenken? Leider ermöglicht uns das Leben inzwischen so vielfältige Ablenkungen, dass es gar nicht so leicht ist, zur Besinnung zu kommen. Dabei könnten wir es nicht zuletzt als einen Akt der Selbstliebe begreifen, keine Erfahrung, also keine Lebenszeit, zu vergeuden, sondern alle Erkenntnis aus ihr zu ziehen, die uns ein noch besseres, leichteres, harmonischeres Leben ermöglicht. Das würde auch einem anderen Postulat Schweitzers entsprechen: Der Ehrfurcht vor dem Leben.

Der 2. Aspekt betrifft unser Verhalten anderen gegenüber. Wie verhalte ich mich meinem Nächsten gegenüber, wenn ich mit allen Sinnen erfasse, dass uns die gleichen Bedürfnisse antreiben? Wie kann ich meinen Nächsten kritisch-distanziert betrachten und beurteilen, wenn ich weiß, dass Anerkennung statt Angst ihn/sie leichter die richtige Lösung finden lassen. Wie kann ich meinem Nächsten Eigennutz unterstellen, wenn ich weiß, dass es genug positive Erfahrungen braucht, um sich sicher fühlen zu können. Meine liebste Haltung dazu ist: Jede(r) hat ihre/seine persönlichen guten Gründe für ihr/sein Verhalten. Da gelingt natürlich nicht immer, gerade wenn es nicht meine guten Gründe sind... Aber es lohnt sich herauszufinden, was den anderen/die andere antreibt. Es schafft persönliche Nähe. Es macht uns zu Brüdern und Schwestern. Und: ist es eine Grundlage, um gemeinsam nach Lösungen für uns und/oder für eine bessere Welt zu suchen.